Existenzangst – die Angst, sein Leben nicht meistern zu können oder den Sinn des Lebens zu verfehlen – ist weitverbreitet und kann zu einer grossen mentalen Belastung führen. In einem Interview erklärt Dr. Manuela Vanheiden, Neurobiologin, Heilpraktikerin für Psychotherapie und OMNI Hypnosetherapeutin, was dahintersteckt und wie Hypnose bei existenziellen Ängsten helfen kann.
Was ist Existenzangst und was steckt dahinter?
Existenzangst beschreibt die Angst, dem Leben nicht gewachsen zu sein, beziehungsweise die wirtschaftlichen oder materiellen Grundlagen des Lebens zu verlieren. Dabei steht die finanzielle und berufliche Existenz im Vordergrund. Hier kann die Existenzangst mit dem Scheitern in der Selbstständigkeit oder der Insolvenz der eigenen Firma einhergehen. Doch auch die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes ist eng mit Existenzangst verbunden.
Auch ältere Menschen erleben Existenzangst. Die Angst vor Armut im Alter oder die Angst, im Falle von Erkrankungen ihr Leben nicht meistern zu können, ist besonders stark bei Menschen, die allein sind, also keine Unterstützung durch Familie oder Freunde haben.
Oft ist Existenzangst eine Kombination verschiedener Sorgen und nicht auf eine einzelne Angst beschränkt. Der Gedanke, seinen Arbeitsplatz zu verlieren, stößt die nächste Angst an, nämlich vor finanziellen Problemen. So könnte vielleicht das Geld für Essen knapp werden, Rechnungen könnten nicht gezahlt und möglicherweise die Wohnung nicht gehalten werden. Nicht genügend Aufträge in der eigenen Firma zu haben, führt eventuell nicht nur zum eigenen Ruin, sondern es können möglicherweise keine Gehälter mehr an die Angestellten gezahlt werden. Neben den wirtschaftlichen Konsequenzen spielen auch befürchtete soziale Konsequenzen eine Rolle. Zum Beispiel die Frage, was Familie, Freunde oder Außenstehende von einem denken, wenn die befürchteten Szenarien eintreten. Oder die Angst, als Versager oder Versagerin dazustehen. Oder dass sich die Menschen von einem abwenden, wenn man etwas nicht schafft.
Zusammengefasst haben Betroffene Angst, dass sich für sie etwas zum Schlechteren verändert und sie nichts dagegen tun können, sie hilflos ausgeliefert und machtlos sind und dadurch negativ von anderen bewertet werden. Insgesamt können diese Faktoren so belastend sein, dass die positiven Seiten des Lebens nicht mehr wahrgenommen werden und sich alle Gedanken nur noch um die Ängste drehen.
Welche Symptome gehen mit der Existenzangst einher und wer leidet am häufigsten unter Existenzängsten? Haben Existenzängste durch die Coronapandemie zugenommen?
Am häufigsten leiden nach meiner Erfahrung in der Praxis tatsächlich selbstständig erwerbende Menschen an Existenzangst, also Gewerbetreibende, Unternehmer und Unternehmerinnen sowie Freiberufler und Freiberuflerinnen. Durch die Corona-Pandemie war aber auch die Betreuungsnachfrage von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen zum Thema Existenzangst erhöht. In meiner Praxis konnte ich also grundsätzlich einen Anstieg von Klientinnen und Klienten mit Existenzangst beobachten. Dies haben mir Kollegen und Kolleginnen im Austausch ebenfalls bestätigt.
Manchmal werden Existenzängste durch konkrete Auslöser verursacht, zum Beispiel der Ankündigung des Arbeitgebers, dass es zu Umstrukturierungen in der Firma kommt oder dass in naher Zukunft Stellen abgebaut werden. Aktuell zu Zeiten von Corona war der Wechsel in Kurzzeitarbeit ebenfalls ein Unsicherheitsfaktor. Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen wussten nicht, wie es weitergehen wird. Alle Selbstständigen, die aufgrund der Maßnahmen nicht mehr tätig sein durften, unterlagen einem besonders hohen Risiko, Existenzängste zu entwickeln. Doch auch Menschen, die von Grund auf eher pessimistisch veranlagt sind und keine starke Resilienz haben, können ganz ohne Auslöser Zukunfts- und Existenzängste entwickeln. Und das sogar in Zeiten, in denen es keinen Grund gibt, sich Sorgen zu machen.
Die häufigsten Symptome sind innere Unruhe und Rastlosigkeit. Auch hohe emotionale Anspannung kann ein Symptom sein. Diese zieht sich häufig durch den Tag und führt zu einer geringeren Belastbarkeit und damit einhergehender hoher Reizbarkeit. Viele Menschen, die an Existenzangst leiden, kommen abends nicht zur Ruhe, klagen über Schlafstörungen. Das kann von Ein- und Durchschlafstörungen, bis hin zu nächtlichen Panikattacken reichen, bei denen Betroffene schweißgebadet mit Herzklopfen und Enge in der Brust, oder dem Gefühl ein schwerer Stein läge auf ihnen, aufwachen. Menschen mit Existenzängsten neigen zum Grübeln. Wie oben schon beschrieben, kann es passieren, dass sich sämtliche Gedanken nur noch um die potenziell scheiternde Existenz und die damit mutmaßlich einhergehenden Sorgen und Probleme drehen. Besonders diese negativen Gedankenspiralen stören den Nachtschlaf erheblich.
Wie viele Menschen in Deutschland sind davon betroffen?
Das lässt sich für mich leider nicht so leicht beantworten. Laut verschiedenen statistischen Erhebungen der letzten Jahre zeigen in etwa 25-45% der Befragten in Deutschland (Quelle: Statista, Kantar Emnid) Ängste, die mit Existenzangst in Verbindung stehen, wie zum Beispiel die Angst vor Arbeitslosigkeit oder Armut.
Was kann man dagegen tun?
Man sollte sich auf die Lösung konzentrieren und nicht auf die Ängste. Kurzfristig kann es helfen, aus der Situation auszubrechen und abzuschalten. Selbsthypnose, Meditation, Sport, Freunde treffen, die Eltern besuchen und Aktivitäten in der Natur können den Kopf freimachen und dabei helfen, die Situation als nicht mehr so schlimm anzusehen. Ich empfehle meinen Klientinnen und Klienten, für alle Themen Achtsamkeit zu praktizieren: sich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren, ohne zu bewerten, und Dinge anzunehmen, wie sie sind, wenn sie grade nicht veränderbar sind. Achtsamkeit ist auch bei Existenzängsten ein wertvolles Werkzeug.
Wenn die Ängste häufig unbegründet sind, hilft es auch, sich tatsächlich mit den Fakten und/oder seinen Umsätzen auseinanderzusetzen. Ganz oft sind nämlich Menschen betroffen, bei denen es scheinbar keinen nachvollziehbaren Grund gibt, sich ernsthafte Sorgen zu machen, weil der Arbeitsplatz sicher ist und es im Job gut läuft oder die Umsätze der Betroffenen ausreichend bis gut, manchmal sogar sehr gut sind.
Wenn möglich, sollte man sich ein finanzielles Polster aufbauen, welches durch schwere Zeiten helfen kann und ein Gefühl von Sicherheit gibt. Auch ein „Plan B“, eine Alternative, ein Notfallplan, kann das Gefühl von Sicherheit steigern.
Wie kann Hypnose helfen, Existenzängste zu mildern?
Ganz grundsätzlich kann aufdeckende Hypnose natürlich helfen, Ängste im Unterbewusstsein dauerhaft zu lösen. Angstnetzwerke, die wir mit dem Bewusstsein nicht oder nur unter sehr hohem Energieaufwand erreichen und beeinflussen, sind in Trance zugänglich und leicht veränderbar. Doch auch Existenzängste auslösende Faktoren, können mit Hypnose verändert oder sogar gänzlich gelöst werden. Zum Beispiel können aus der Kindheit stammende negative Glaubenssätze und pessimistisches Denken mit Hilfe der Hypnose losgelassen werden. Man kann im Unterbewusstsein ein Gefühl von Sicherheit etablieren, Ressourcen stärken und somit auch die Resilienz erhöhen. Mit Hypnose kann man das Selbstbewusstsein, das Selbstvertrauen und den Optimismus im Unterbewusstsein aufbauen.
Dr. Manuela Vanheiden ist OMNI Hypnosetherapeutin, Traumapädagogin und Ausbilderin. Sie hat seit über 10 Jahren Erfahrungen mit Hypnose und Hypnosetherapie. Aufgrund ihres neurowissenschaftlichen Hintergrunds hat sie einen besonderen Blick auf psychiatrische Erkrankungen, wie Ängste, Depressionen und Traumata. www.hypnosezimmer.de